Bolsonaro, Windimpfungen und Panelaços

Ein Einblick in die aktuelle Coronalage in Brasilien

 

Es ist bekannt, dass jedes Land anders mit der aktuellen Pandemie umgeht. Aber eines, welches in seinem Umgang besonders heraussticht, ist Brasilien. Und das leider nicht im positiven.

Etwas über ein Jahr nach dem ersten Fall vor Ort, sind die Ansteckungs- und Todeszahlen höher denn je. Dazu rechnen Experten noch mit einer enormen Dunkelziffer. Mit den über 17,5 Millionen Infektionen (mit einer Infektionsrate von 238 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner; stand 15.06.)  sind die Krankenhäuser überlastet, sodass Patienten bereits im Krankenhaus ersticken mussten. Zum einen existieren nicht genügend Sauerstoffvorräte, zum anderen kämpft Brasilien mit einer Mutation des Virus. Daher hat Brasilien bereits knapp eine halbe Millionen Tote zu beklagen (stand 15.06).

Um dieser Eskalation entgegen zu wirken hat die brasilianische Regierung ein Ausgangsverbot von 20 Uhr abends bis 5 Uhr morgens und eine Maskenpflicht erlassen. Leider ist unklar, ob weitere Maßnahmen ergriffen werden, da der Präsident des Landes, Jair Bolsonaro, den Virus als eine „kleine Grippe“ bezeichnet und aktiv gegen jegliche Maßnahmen wettert. Stattdessen preist er das stark umstrittene Mittel Chloroquien an, welches eigentlich zur Behandlung von Malaria verwendet wird.

Ein Volk in der Krise

Wegen des Fokus auf dieses umstrittene Medikament, kümmerte die Regierung sich erst viel zu spät um die Versorgung mit einem der vorhandenen Impfstoffe. Bolsonaro zögerte jegliche Bestellungen hinaus und es wurden Fakenews und Desinformation über die Impfungen verbreiten.

Jetzt, da Impfdosen vorhanden sind, folgt Skandal auf Skandal. Die einflussreichen Menschen des Landes versuchten bis zu 7.000 Dosen für sich und ihre Familien zu reservieren. Dafür erhielten viele alte Menschen sogenannte „Windimpfungen“: sie bekamen eine Spritze, aber, ohne es zu wissen, keinen Impfstoff. Trotzdem sind bisher etwa 11,5% der Bevölkerung ganz und 30% mit der ersten Dosis geimpft.

Ein weiteres großes Problem sind die eingestellten staatlichen Nothilfen. Bis Februar 2021 wurden die bedürftigen Bürger Brasiliens mit staatlichen Geldern unterstützt, doch dieses Programm lief im Februar aus und wurde seitdem nicht mehr erneuert. Als Grund werden leere Staatskassen angegeben. Während deswegen mehrere Millionen Menschen drohen in die Armut zu fallen, werden Unsummen an staatlichen Geldern verwendet, um Stimmen für Bolsonaro zu erkaufen.  Wegen dieses Verhaltens wurde bereits mehrmals Amtsenthebungsversuche eingeleitet, die jedoch regelmäßig an Bolsonaros Unterstützern scheitern.

Natürlich sorgt das Verhalten des Präsidenten für eine starke Gegenbewegung. In den Städten, deren Gouverneure sich meist selbst um die Impfung der Bewohner gekümmert haben, wird durch das traditionelle „panelaços“ (Schlagen von Töpfen zum Ausdruck des Protests) protestiert. Bislang ohne Erfolg.

Am meisten leiden unter dem Virus aber die indigenen Völker.
„Bolsonaro nutzt die Pandemie, um uns auszurotten. In ganz Amazonien sterben Indigene an dieser neuen Krankheit, aber nie wird ein kranker Indigener in ein Hospital nach Brasilia gebracht, dort auskuriert und gesund wieder in sein Dorf zurückgeschickt“, berichtet Mato Rosso, der 90-jährige Anführer der Kaiapó.
So starb im Februar 2021 der letzte Überlebende des indigenen Volkes Juma dem Virus.

IRPAA

Die Menschen, die in den ländlichen Gegenden des Landes leben, können zurzeit zumindest ihr Überleben sichern. Sie sind durch ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten in der Lage sich selbst zu ernähren. Beispielsweise in der Region der Caatinga, im Nordosten Brasiliens, wo wir ein Projekt zusammen mit der Nichtregierungsorganisation IRPAA unterstützen. Aber hier haben die Menschen ihre ganz eigenen Probleme, weiß Maria Oberhofer, unsere Projektpartnerin zu berichten. Diese reichen vom fehlenden Einkommen, da ihre Ernte, durch COVID-19 und geschlossener Märkte, nicht mehr in den Städten verkauft werden kann, bis hin zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit Bohrfirmen, die tief nach Wasserbohren, das Biom der Caatinga damit stark bedrohen und es zu gewaltsamen Land Konflikten kommt. Auch der Zugang zu medizinischer Versorgung ist durch die weiten Entfernungen im Falle einer Erkrankung nicht für jeden Bürger möglich. In dieser Gegend versucht die IRPAA die Menschen in Landrechtsfragen zu unterstützen. Sie hat sich zudem zum Ziel gesetzt den Menschen zu zeigen, wie sie trotz des Trockenklimas in den ländlichen Gegenden Brasiliens leben können, im Einklang mit dem Klima und den natürlichen Gegebenheiten. Denn wie ein Mitarbeiter des IRPAA formulierte „Es fehlt nicht an Wasser, sondern an Gerechtigkeit“. Daher setzten sie sich im Agrarbereich und zeitgleich für die Landrechte der Kleinbauern ein, und das auch während Corona! Eine Organisation, die man, finden wir, unterstützen muss!

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